Dieser Text wurde inhaltlich geprüft und überarbeitet von Ärztin Dr. Celine Schlager.
Oft ist die zentrale Angst bei Baby Led Weaning die vor dem Verschlucken und Ersticken. Fast jede Mami, die im Gespräch mit mir das erste Mal von Breifrei gehört hat, entgegnet mir die kritische Frage: „Kann das Baby dabei nicht ersticken, wenn es sich verschluckt?“. Die Angst vor dem Ersticken ist nicht komplett unrealistisch, denn theoretisch kann jeder Mensch, egal welchen Alters, Nahrung oder andere kleine Gegenstände einatmen und ersticken. Doch meistens lässt sich das, was die Luftröhre verschließt, durch Husten, Klopfen und andere Maßnahmen entfernen. Das gilt für Babys genauso wie für Erwachsene.
Egal, ob Du das glauben willst oder nicht, mit Baby Led Weaning hat das nichts zu tun – hier ist die Erstickungsgefahr nicht höher als bei der Ernährung mit Brei.
Achtung: Ich bin keine Medizinerin, auch wenn der Text von einer Ärztin geprüft wurde. Die hier wiedergegebenen Meinungen beruhen auf meiner Erfahrung als Mama und der Lektüre verschiedener, thematisch relevanter Literatur. Die Verantwortung für Dein Baby trägst immer Du als Elternteil. Lass Dein Baby niemals beim Essen alleine und ziehe im Zweifel eine Fachperson (Arzt, Ernährungsberater oder Beikostberater) hinzu!
Wo ist Erstickungsgefahr höher? Baby Led Weaning oder Brei?
Angst vor Verschlucken und Ersticken
Die Angst vor dem Verschlucken kennen wahrscheinlich fast alle Eltern. Und tatsächlich kann das auch passieren – dass ein Kind daran wirklich stirbt, ist jedoch zum Glück relativ selten.
Lange Zeit herrschte große Sorge, dass sich die Kinder bei BLW deutlich häufiger Verschlucken. Dem ist nicht so, wie eine große Studie aus Neuseeland gezeigt hat. Vorrausetzung dafür ist natürlich, dass die Beikostreifezeichen erfüllt sind und das Kind für feste Nahrung bereit ist.
Wenn man das Wissen um die kindliche Entwicklung mit gesundem Menschenverstand kombiniert, versteht man auch, warum BLW-Kinder sich nicht gravierend mehr oder weniger gefährlich verschlucken als Brei-Kinder. Die Erklärung folgt jetzt.
Kein Essen im Mund, bevor das Baby bereit ist
Die Grundlage von BLW ist, dass dem Baby nichts in den Mund gesteckt wird. Es nimmst selbst Nahrungsmittel mit der Hand auf und führt sie zum Mund. In der körperlichen und kognitiven Entwicklung von Kindern gibt es einen Punkt, an dem die Hand-Mund-Koordination und die Fähigkeit, die Faust zielgerichtet zu lösen, sodass Essen im Mund landet, sich entwickeln. Es scheint so zu sein, dass diese zeitgleich mit der Fähigkeit, essen sicher im Mund zu verwalten, entwickelt werden.
Deshalb ist es so wichtig, bei BLW die Beikostreifezeichen abzuwarten: Denn wenn ein Baby sich selbst Essen in den Mund schieben kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Zungenfertigkeit vorhanden ist, um damit umzugehen.
Die Beikostreifezeichen nochmals kurz zusammengefasst:
- Aufrechtes Sitzen mit Unterstützung
- Kopfkontrolle (Kopf kann alleine gehalten werden)
- Zungenstreckreflex ist verschwunden
- Baby zeigt Interesse an der Nahrung
- Baby greift selbständig nach Nahrung und führt diese zum Mund
Würgen beim Baby – Intelligenter Schutzmechanismus der Natur
Was steckt dahinter, wenn ein Baby würgt?
Wenn Nahrungsmittel oder andere feste Gegenstände, die zum sicheren Schlucken zu groß sind, in den Rachenraum gelangen, wird an einem bestimmten Punkt im Mund ein Würgereiz ausgelöst. Dieser Punkt des Würgereflexes liegt bei kleinen Babys viel, viel weiter vorne, als bei Erwachsenen. Darum würgen Babys, die das erste Mal mit fester Nahrung experimentieren, auch so häufig. Schnell kommt das Essen dann wieder zum Vorschein. Entgegen unserer Tendenz zur Panik scheint das den Kindern jedoch gar nichts auszumachen. Sie schieben dasselbe Stück oder ein anderes gleich wieder in den Mund – mit vielleicht genau demselben Ausgang und Ergebnis.
Würgen bedeutet nicht Verschlucken oder Ersticken
Auch wenn das für Dich als Mutter oder Vater vielleicht gefährlich aussieht, Würgen bedeutet nicht Ersticken. Das ist ein reiner Schutzmechanismus und solange die Nahrung wieder zum Vorschein kommt, gibt es keinen Grund zur Sorge. Das Würgen hält den Nahrungsbrei von der Speiseröhre fern. Wenn doch einmal etwas in die Speiseröhre gelangt, wird Dein Kind Husten, um es zu entfernen. Wenn das nicht reicht, erbricht es sich vielleicht sogar. Das sind ebenfalls körperliche Sicherheitsmechanismen, die lediglich bedeuten, dass alles richtig funktioniert. Auch, dass die Augen Tränen oder Dein Kind ein wenig rot wird, ist ganz normal.
Wenn Dein Baby aber offensichtlich keine Luft mehr bekommt, ist es höchste Zeit, zu handeln (s.u.)!
Damit diese Reflexe und das körperliche Frühwarnsystem funktionieren können, ist es wichtig, dass das Baby aufrecht sitzt und sich nach vorne lehnen kann. Darum sollte man ein Baby nicht in der Wippe oder Wiege füttern.
Übung macht den Meister
Gerade zu Beginn Deiner Baby Led Weaning Erfahrung kann sich dieses Spielchen ein paar Tage bis Wochen hinziehen. Im Verlauf dieser Zeit lernt Dein Baby jedoch, wie es die Zungenmuskulatur richtig benutzt, sodass es kontrollieren kann, ob und welche Stücke im Mund nach hinten und dann in die Speiseröhre gelangen.
Mittlerweile gibt es auch eine Studie, die belegt, dass Kinder, die selbständig essen dürfen, sich zwar anfangs häufiger verschlucken, als Breikinder, mit acht Monaten aber bereits seltener. Das Risiko des Erstickens ist bei fachgerechter Durchführung von BLW nicht erhöht.
Erstickungsgefahr bei Brei
Wenn nun ein Kind die ersten Monate mit Brei gefüttert wurde, muss es diesen Lernprozess später durchmachen. Es ist daran gewöhnt, alles unkontrolliert nach hinten zu saugen und sofort zu schlucken. Der Punkt, an dem ein Würgereflex ausgelöst wird, ist bereits etwas weiter nach hinten gewandert, sodass ein Verschlucken ein wenig gefährlicher ist, als bei einem kleinen Baby. Die Speiseröhre ist schon näher. Es liegt also nahe, dass ein frühes Gewöhnen an feste Nahrungsmittel Dein Baby sogar vor Verschlucken und Ersticken schützt, anstatt es einem größeren Risiko auszusetzen. (Vgl. Gill Rapley S. 62 ff.)
Erste Hilfe bei Verschlucken
Es gibt drei Arten, wie Menschen und damit auch Babys an verschluckten Gegenständen oder Nahrungsmitteln sterben könnten:
- Ein Nahrungsmittel oder kleiner Gegenstand wird versehentlich in die Luftröhre gesaugt und verschließt diese. Das Kind bekommt keine Luft mehr oder hat Atemnot.
- Ein Fremdkörper gelangt in die Lunge. Wird er von dort nicht entfernt verursacht er eine Lungenentzündung, die unbehandelt zum Tod führen kann.
- Ein Brocken oder Gegenstand steckt in der Speiseröhre im Rachen fest und drückt auf den Vagusnerv. Dadurch wird binnen weniger Sekunden ein Kreislaufstillstand mit Todesfolge hervorgerufen (Bolustod).
Wenn Dein Baby während des Essens oder auch beim Spielen offensichtlich keine oder zu wenig Luft bekommt, reicht es nicht, einen Rettungswagen zu rufen. Diese benötigen im Schnitt meist mehr als 10 Minuten, um vor Ort zu sein. Bis dahin ist ein Mensch längst erstickt.
Maßnahmen nur, wenn Kind nicht husten kann
Wenn Dein Kind husten und sprechen kann, ermuntere es zum Husten. Gerne kannst du auch mit deinem Kind gemeinsam Husten. Bitte hier das Kind sofort nicht übers Knie legen, Klopfen, den Heimlich Handgriff oder Thoraxkompressionen anwenden. Die Kinder schaffen es in dieser Situation am Besten von alleine. Wichtig ist, dass sie dazu aufrecht sitzen.
Fremdkörper entfernen durch Klopfen
Wenn das Kind nicht sprechen oder Husten kann, aber bei Bewusstsein ist, dann solltest Du Dein Kind unterstützen, um den Fremdkörper herauszubekommen.
Wie geht das ?
In den allermeisten Fällen hilft es, Dein Kind über die Knie zu legen, und das festsitzende Stückchen locker zu klopfen – egal, ob es in der Luftröhre oder in der Speiseröhre sitzt. Dabei ist wichtig, dass der Oberkörper nach unten hängt, der Kopf also tiefer ist als die Brust. Dann klopfst Du mit der flachen Hand richtig fest zwischen die Schulterblätter Deines Kindes. Die Bewegung geht dabei auf dem Rücken von unten nach oben.
Babys bis 12 Monate: Brustkorb-Kompressionen
Wenn sich die Situation auch nach ein paar Mal Klopfen nicht gelöst hat, solltest Du Brustkorb-Kompressionen durchführen.
Wie funktioniert eine Brustkorb-Kompression?
Das Baby wird mit dem Rücken nach unten auf den ausgestreckten Unterarm oder auf die geschlossenen Oberschenkel abgelegt. Der Kopf des Babys liegt etwas tiefer als der Körper und wird mit der Hand gestützt. Dann nimmst du deinen gestreckten Zeige- und Mittelfinger und drückst damit fünf Mal auf die Mitte des Brustkorbes.
Wo genau?
Ziehe eine gedachte Verbindungslinie zwischen den zwei Brustwarzen, der Punkt liegt 1-2cm darunter.
Der Brustkorb sollte etwa zwei bis drei Zentimeter tief eingedrückt werden, um durch die Kontraktionen den Fremdkörper aus der Luftröhre zu drücken.
Wie genau das geht, lernst Du in einem Präsenz- oder Online Erste-Hilfe-Kurs. Weiter unten findest Du eine Empfehlung.
Anschließend musst Du die Mundhöhle kontrollieren. Ist der Fremdkörper sichtbar und das Baby hustet oder atmet normal weiter, konnte das Ersticken abgewendet werden. Entferne den Fremdkörper vorsichtig, wenn Du kannst. Achte darauf, dass Du ihn nicht mit den Fingern weiter im Mund nach hinten schiebst! Also bitte nicht tief hineinfassen! Bitte Dein Kind, den Gegenstand auszuspucken!
Ab 12 Monaten: Heimlich-Handgriff
Bei Kleinkindern ab 1 Jahr darfst Du den sogenannten Heimlich-Handgriff anwenden. Dabei greifst Du von hinten um Dein Kind und drückst ruckartig seinen Brustkorb zusammen.
Hiermit erzeugst du sozusagen einen künstlichen Hustenstoß mit welchem der Gegenstand herausbefördert werden soll. Wichtig ist, dabei nicht zu zaghaft zu drücken. Die Luft muss wirklich in einem Stoß entweichen. Wenn Du sie langsam mit mehreren Versuchen herausdrückst, kann sie die Blockade nicht entfernen.
Bitte beachte, dass du nach Anwendung sowohl der Brustkorb-Kompressionen als auch des Heimlich-Handgriffes Dein Kind immer einem Arzt vorstellst. Diese Maßnahmen können lebensgefährliche Verletzungen herbeiführen, sind jedoch in dieser Situation die einzige Lösung dein Kind zu retten und somit absolut angebracht.
Beachte auch, dass Du diese Maßnahme wahrscheinlich nie brauchen wirst. Es ist, wie gesagt, sehr selten, dass Kinder ersticken. Trotzdem ist es wichtig, sie im Ernstfall zu beherrschen.
Empfehlung für alle Eltern: Erste-Hilfe Kurs
Wenn es um das Thema Verschlucken geht, empfehle ich Eltern immer einen Erste-Hilfe Kurs für Kinder. Allerdings weiß ich selbst, wie hoch die Hürde ist, sich für diesen anzumelden und die Zeit dafür frei zu schaufeln – vor allem mit kleinen Kindern! Ich habe darum viel zum Thema gelesen und zwei Erste-Hilfe Online Kurse belegt. Hier kann ich euch den Kurs von Dr. med. Celine Schlager wirklich wärmstens ans Herz legen.
Mit dem Code HANNA20 bekommt ihr dort sogar 20% Rabatt auf die Kurse!
Wenn Du auch dafür nicht die Kapazitäten hast, bitte lies zumindest ein wenig oder schau Dir ein paar Videos auf YouTube an! Ich fand Janko von Ribbecks „Erste Hilfe für Kinder“ sehr hilfreich. Eine Lektüre, die ich allen Eltern empfehlen kann – am besten zusätzlich zu einem Erste-Hilfe-Kurs.
Gefährliche Lebensmittel zum Verschlucken
Es gibt einige wenige Lebensmittel, die die Erstickungsgefahr bei Baby Led Weaning erhöhen. So solltest Du deinem Kind keine Nüsse geben, bis es etwa 3 Jahre alt ist. Sie sind sehr hart und bleiben leicht stecken. Meist haben sie genau die Größe des Durchmessers der Luftröhre. Eine Entfernung der Nüsse aus der Lunge gestaltet sich zudem meist nicht so einfach. Eine lebensgefährliche Lungenentzündung kann die Folge sein. Du kannst deinem Kind aber gerne gemahlene/ pürierte Nüsse oder Nussmus anbieten.
Runde Lebensmittel wie Weintrauben oder Tomaten sind für ungeübte Esser eine echte Herausforderung. Sie sind mit der Zunge schwer zu kontrollieren und rutschen so schneller nach hinten durch. Durch ihre runde Beschaffenheit können sie dann Speise- oder Luftröhre komplett verschließen. Natürlich kannst Du Deinem Baby diese Lebensmittel trotzdem anbieten. Bevor es sie selbst mit den Zähnchen zerbeißt, kannst Du sie einfach halbieren und so die Gefahr ausschalten.
Wenn Dein Baby Fisch isst, sollte dieser immer frei von Gräten sein.
Das Wichtigste ist jedoch, dass du dabei bist, wenn dein Kind isst. So kannst du schnell reagieren, falls es sich verschlucken sollte.
Außerdem sollte das Kind nie mit Essen in der Hand bzw. im Mund herumlaufen. Auch im Auto sollten Kinder nach Möglichkeit nicht essen.
Meine Erfahrung
In den ersten Wochen, in denen unser erster Sohn selbst essen durfte, kam das Essen sehr oft auf unangenehme Weise wieder zum Vorschein. Er würgte, hustete oder erbrach sich manchmal sogar. Zwei oder dreimal habe ich ihn sicherheitshalber über die Knie gelegt und das Essen herausgeklopft. Rückblickend betrachtet wäre das aber wahrscheinlich gar nicht nötig gewesen. Denn was wir beobachten konnten, waren perfekt funktionierende Sicherheitsmechanismen: nie gelangte Essen wirklich in seine Luftröhre oder blieb in der Speiseröhre stecken. Nach den ersten Tagen entwickelten wir etwas mehr Vertrauen. Natürlich beobachteten wir ihn noch genau beim Essen, aber vertrauten darauf, dass seine Reflexe funktionieren. Und das taten sie. Schon bald hörte das Würgen und Husten beim Essen fast komplett auf.
Bei unserem zweiten Sohn schien das anfangs viel reibungsloser zu gehen. Er würgte kaum, konnte scheinbar gut mit dem Essen im Mund umgehen. Doch als er 11 Monate alt war – ein Alter also, in dem selbst Breikinder meist auch schon festes Essen in die Hand bekommen – schnappte er sich ein Radieschen von meinem Teller. Ich dachte, es sei viel zu groß und er könne es ohnehin nicht beißen, also ließ ich ihn. Etwa 10-15 Minuten lang behielt er das Radieschen im Mund – und dann bekam er plötzlich keine Luft mehr. Die folgenden Minuten waren wohl die furchtbarsten in meinem Leben, denn ich dachte wirklich, mein Baby erstickt jetzt. Er bekam überhaupt keine Luft mehr, das Radieschen steckte in seinem Rachen fest. Herausklopfen und Heimlich-Handgriff führten nicht zum Erfolg. Irgendwann schaffte er es, in umgekehrter Haltung, das Radieschen wieder heraus zu befördern. Danach waren wir übervorsichtig und es passierte nichts mehr.
Quellen:
- Rapley, Gill: Baby-led Weaning – Das Grundlagenbuch: Der stressfreie Beikostweg. 2013
- Stern, Loretta: Einmal breifrei, bitte!: Die etwas andere Beikost. 2013
- Schmidt, Nicola: artgerecht – Das andere Baby-Buch: Natürliche Bedürfnisse stillen. Gesunde Entwicklung fördern. Naturnah erziehen. 2015
- Marques, Karolina: Breifrei von Anfang an: Beikost neu entdecken. 2014
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