Du fragst Dich, ob es sich wirklich lohnt, Dein Baby so eine Sauerei machen zu lassen und ob die BLW Vorteile wirklich so gravierend sind? Bevor ich im Detail zu den Vorteilen und Nachteilen der breifreien Methode komme – diese Frage kann ich eindeutig mit Ja beantworten. Ja, es lohnt sich, ein wenig extra Wäsche und Putzen in Kauf zu nehmen!
Was heißt Baby Led Weaning?
Übersetzt heißt Baby Led Weaning in etwa „vom Baby gesteuertes Abstillen“. Konkret bedeutet das, dass ein Säugling bzw. Kleinkind selbst entscheiden darf, wie schnell er von der reinen Milchnahrung zum normalen Essen übergeht. Weil Kinder in diesem Alter noch nicht löffeln können, wird dieses selbstbestimmte Essenlernen nicht mit Breinahrung, sondern mit Fingerfood kombiniert, das Babys ab Beikostreife auch ohne Zähne mit den Händen essen können.
> Hier findest Du genauere Informationen zum Beikost-Start mit BLW.
Nun ist dieses Vorgehen im Laufe des letzten Jahrhunderts ziemlich ungewöhnlich geworden. Stattdessen hat sich eine Beikosteinführung nach Beikostplan etabliert, bei dem innerhalb relativ kurzer Zeit die Milchnahrung durch Breimahlzeiten ersetzt wird. Möglicherweise empfindest Du Brei für Babys auch als das „normale“ Vorgehen. Aber nach vielen Jahren der Recherche, einer Weiterbildung und drei Kindern kann ich Dir sagen: Es gibt keinen wissenschaftlichen, gesundheitlichen, ernährungsphysiologischen oder sicherheitstechnischen Aspekt, der Breinahrung als besser geeignet für die Beikosteinführung erweisen würde als Fingerfood. Die BLW Nachteile sind in allererster Linie gesellschaftlich-sozialer bzw. wirtschaftlichspolitischer Natur. Dazu weiter unten mehr.
BLW Vorteile für Dein Baby
Fangen wir mit den Vorteilen von Baby Led Weaning an, denn die sind wirklich zahlreich:
- Natürliches Sättigungsgefühl: Die wenigsten Babys haben täglich genau so viel Hunger, dass exakt ein Glas Brei (oder die auf dem Plan angegebenen Menge) in den Magen passt. Nicht einmal Erwachsene essen immer genau gleich viel zur selben Tageszeit. Wie wir auch können Babys sehr gut selbst beurteilen, wann sich ein Völlegefühl einstellt und sie nichts mehr essen möchten. Ob dieser Impuls dann akzeptiert und das Baby in seiner Wahrnehmung gestärkt wird, entscheidet darüber, ob Kinder auch später mehr essen, als ihnen ihr Körpergefühl sagt.
Dieser Punkt wird vor allem wichtig, wenn man sich die Statistiken zu Übergewicht in Deutschland ansieht: Jeder zweite Erwachsene und fast jedes 10. Kind im Alter zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig (Quelle: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen – KiGGS Welle 2, 2014-2017)! - Selbständigkeit und Selbstbewusstsein: Ein Kind, das selbst entscheiden kann und muss, wie und ob es Nahrung zu sich nimmt, wird in seiner Entwicklung zur Selbstbestimmtheit und Selbständigkeit begleitet. Dieses Gefühl, unabhängig von den Eltern selbst essen zu können, fördert auch das Selbstbewusstsein Deines Kindes.
- Motorik und Hand-Mund-Koordination: Den Mund auf und zu machen erfordert nicht viel Geschicklichkeit. Essen in verschiedenen Formen, Größen und Konsistenzen aufzuheben und sicher zum Mund zu befördern schon. Bei BLW wird täglich mehrmals die Feinmotorik auf ganz selbstverständliche Weise geschult.
- Sicheres Essen: Genauso wie Babys irgendwann lernen können, sich zu drehen, zu krabbeln und zu laufen, ist es an einem bestimmten Punkt an der Zeit, richtig kauen und schlucken zu lernen und vor allem, sich nicht zu verschlucken. Für viele Eltern stellt das die größte Angst beim BLW dar. Tatsächlich ist aber genau das sehr frühe Gewöhnen an feste Nahrungsmittel einen wirksamer Schutz dagegen.
Anfangs wird nämlich der Würgreflex noch sehr weit vorne im Mundraum ausgelöst, sodass zu große Essensbrocken selten weit genug nach hinten gelangen, um in die Luftröhre geraten zu können. Später wandert der Punkt, an dem Essen wieder herausgewürgt oder -gehustet wird, weiter nach hinten. Ein BLW-Kind weiß bis dahin längst, wie es mit der Zunge verhindern kann, dass zu großes Essen in den Rachen gelangt. - Sprachentwicklung: Dass die Zungenmuskulatur trainiert wird, ist nicht nur wichtig für richtiges und sicheres Essen, sondern auch für die Sprachentwicklung.
- Natürliches Lernen: Wie so viele Dinge musst Du auch Essen Deinem Baby nicht gesondert beibringen. Wenn man ihm Zeit und Gelegenheit gibt, passiert das von ganz alleine. BLW entspricht der natürlichen Lern-Entwicklung von Kindern: nachahmen und selbst ausprobieren, im eigenen Tempo – und mit den eigenen Händen. Das entspricht im Übrigen genau der Pädagogik von Maria Montessori.
- Geschmacksprägung: In den ersten zwei Lebensjahren wird der Geschmackssinn eines Menschen für das restliche Leben geprägt. Je vielfältiger das Sortiment an Lebensmitteln in dieser Zeit ist, desto abwechslungsreicher wird Dein Kind später einmal essen (können). Mit BLW darf Dein Kind früh verschiedene Texturen, Geschmäcker und die Optik verschiedener Nahrungsmittel kennen lernen.
- Positives Verhältnis zum Essen: Wenn Essen ein positives, selbstbestimmtes Erlebnis ohne Stress von außen ist, kann Dein Baby ein positives Verhältnis zur Nahrung entwickeln. Vor allem für „schlechte“ Esser ist das häufig ein großes Thema.
- Essen am Familientisch: Während Brei-Babys häufig gesondert und ohne den Rest der Familie essen, kann ein BLW-Kind am gemeinsamen Essen teilnehmen. Niemand muss es füttern oder überwachen, es lernt, alleine zu essen. Das ist für alle Beteiligten ein schöneres Gefühl.
- Freiwilliges Essen: Weil Brei-Kinder häufig den Löffel verweigern oder langsamer essen, als die Eltern sich das vorstellen, entsteht oft eine ganz eigene Dynamik. Der fütternde Elternteil macht sich mit Flugzeug-Spielen zum Affen, „bettelt“ um ein Löffelchen für Oma, oder trickst das Baby aus, um ein Löffelchen in den Mund zu bugsieren. Wenn das dann sofort wieder zum Vorschein kommt, liegen allmählich die Nerven blank und das Thema Essen wird zum Machtspielchen.
Mit BLW sind diese Spielchen überflüssig – das Baby darf selbst entscheiden, ob, wie viel, was und in welcher Geschwindigkeit es essen möchte. Alle Beteiligten sind entspannter und das Baby lernt Essen als genau das kennen, was es ist: Etwas, das man nicht für andere tut, sondern, weil es einem schmeckt. - Zeit- und Geldersparnis: BLW erspart dir das Kaufen oder Kochen von Brei und damit Zeit und Geld. Das Baby bekommt, eventuell in leicht abgewandelter Form, dasselbe wie alle anderen Familienmitglieder.
- Sauber essen: Was zunächst einmal paradox klingt: BLW-Kinder essen womöglich später sauberer. Jedes Kind hat das Bedürfnis, das Essen, das sie aufnehmen, zu erforschen und mit den Händen zu untersuchen. Wenn ihnen das in den ersten Lebensmonaten verwehrt bleibt, weil sie mit dem Löffel gefüttert werden, holen die meisten das später nach. Zumindest, wenn sie dürfen. Und ganz ehrlich: ein 3-jähriger, der mit Essen herummatscht, ist so viel unangenehmer – auch in der Außenwirkung – als ein 1-jähriger.
- Spaß: Auch wenn es banal klingt – das ist wohl einer der wichtigsten Vorteile von BLW. Denn man sollte nicht vergessen, dass Kindheit auch genau das ist: Kindheit. Es sollte nicht immer nur darum gehen, was für die spätere Entwicklung das Beste ist. Kinder leben im Hier und Jetzt und sie wollen diesen Moment mit allen Sinnen erfahren. Und Spaß haben.
Vermeintliche und echte BLW Nachteile
Nährstoffe
Kinderärzte (von Menschen, die sich mit Ernährung beschäftigen, habe ich das noch nie gehört) warnen gerne davor, Babys breifrei zu ernähren. Es könne schnell ein Nährstoffmangel auftreten, weil man nicht nachvollziehen und planen könne, was ein Kind isst. Im Brei dagegen seien genau die Nährstoffe, die ein Kind braucht.
Mal abgesehen davon, dass viele Breikinder auch nicht immer genau dann die geforderten Mengen essen, hinkt das Argument an einer anderen Stelle ganz gewaltig: Welche Nährstoffe wie verwertet werden, hängt nicht immer nur vom Angebot ab. Der Zusammenhang zwischen Angebot und Aufnahme ist sehr komplex und hängt unter anderem von der Darmflora und den zur Verfügung stehenden Enzymen ab. Muttermilch enthält beispielsweise Enzyme, die die Aufnahme von Eisen erleichtern. Ein gestilltes Kind braucht darum vermutlich viel weniger eisenhaltige Nahrungsmittel als ein Flaschenkind. Aber auch zwei Stillkinder können bei gleichem Angebot nicht unbedingt gleich viel Nährstoffe aufnehmen.
Dass ein Nährstoffmangel nicht so rasant schnell entsteht, wie man befürchtet, zeigt auch eine Langzeitstudie der kalifornischen Universtität Stanford. In der Beobachtung und Untersuchung von 120 sogenannten „Picky Eaters“ stellte sich heraus, dass Kinder auch über einen längeren Zeitraum sehr einseitig essen können, ohne sofort einen Mangel wichtiger Nährstoffe zu erleiden. Über kurz oder lang holen sich auch mäkelige Esser, was sie brauchen.
Zähes Abstillen
Mit Brei gefütterte Babys sind meist bis zum ersten Geburtstag abgestillt – mit allen daraus hervorgehenden Vorteilen für die Eltern bzw. die Wirtschaft:
- Mutter kann in den Job zurückkehren und die Familie steht finanziell besser da
- Kind kann fremdbetreut und von anderen Personen gefüttert werden
- Mutter kann Alkohol trinken
- Kind ist weniger auf Mutter als Bezugsperson angewiesen
Der BLW Nachteil, der sich daraus ergibt ist also: Das Abstillen dauert länger, meist bis (weit) ins zweite Lebensjahr hinein. Aber ist das wirklich ein Nachteil?
Tatsächlich empfiehlt sogar die WHO (Weltgesundheitsorganisation), Kinder bis zum 2. Geburtstag zu stillen. Neuere Erkenntnisse aus der Medizin legen nahe, dass Kinder auch möglichst lange gestillt werden sollten, um sie vor entzündlichen Darmerkrankungen bzw. Darmkrebs durch Milchprodukte zu schützen.
Ich weiß, dass unsere Gesellschaft uns nahe legt, dass wir Mütter unsere Unabhängigkeit möglichst früh zurück haben wollen und auch wieder „Me-Time“ haben sollten. Oder uns zumindest gestresst und eingeschränkt fühlen sollten, wenn wir das nicht können. Ich persönlich sehe das so: Ich habe mich für meine Kinder entschieden und auch dafür, sie einige Jahre lang sehr eng zu begleiten. Die Zeit, in der sie mich nicht mehr so sehr brauchen und ich abends mit Freundinnen was trinken kann, werden wieder kommen. Nur eben nicht nach 8 Monaten, sondern eher nach ein paar Jahren. Das ist für mich okay.
Unsauberer Essplatz
Und nun kommen wir zum einzigen echten Nachteil von Baby Led Weaning: Die Sauerei. Da kann man nicht viel mehr dazu sagen, wenn kleine Kinder selber essen dürfen, ist das jede Menge Dreck auf dem Tisch, dem Stuhl und dem Boden. Auch das Kind selbst ist nach so mancher Mahlzeit reif für die Badewanne. Das kann vor allem in Gesellschaft von Eltern, die ihre Kinder schön sauber mit Brei füttern oder gefüttert haben, unangenehm sein. Mach Dir aber bitte bewusst, dass es ihr Problem ist, nicht deins. Du sorgst dafür, dass danach wieder alles sauber ist und weder Du noch Dein Baby habt den Stress. Lass das Problem da, wo es herkommt: Bei der anderen Person.
Zuhause kannst Du mit einem Ärmellätzchen, feuchten Lappen und einer Schreibtischunterlage unter dem Hochstuhl dafür sorgen, dass Du schnell wieder sauber machen kannst. Wenn Du unterwegs bist, nimm Deinem Baby etwas mit, was wenig schmiert, sondern eher krümelt oder zusammen haftet. Das können Außenstehende oft besser tolerieren.
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