Fettreduzierte Lebensmittel für Kinder? Nein danke!

Über Fett existiert leider viel Unwissen bzw. veraltetes Wissen. Darum bekommen immer noch viele Kinder und sogar Säuglinge fettreduzierte Lebensmittel, z.B. Magermilch oder beinahe fettfreien Joghurt. Der aktuelle Stand der Forschung zeigt: Das ist nicht nur unnötig, sondern möglicherweise auch ungesund. 

Dürfen Kinder fettreduzierte Lebensmittel essen? 

Das Wichtigste zuerst: Fettarme Lebensmittel enthalten meistens keine per se schädlichen Inhaltsstoffe. Du musst Dir also keine Sorgen machen, wenn Dein Kind mal davon isst. Allerdings fehlen den fettreduzierten Lebensmitteln wichtige Nährstoffe, allen voran lebenswichtige Fettsäuren. Fettarm ernähren solltest Du Dein Kind also nicht – und Dich selbst im Übrigen auch nicht!

Denn Fett ist für unseren Körper auf so vielen Ebenen wichtig. Dazu mehr später. 

Warum sind fettreduzierte Lebensmittel für Kinder nicht gesund?

Jedenfalls enthalten fettarme Lebensmittel den Kindern sozusagen das Fett vor, das sie aber so gut brauchen können. Aber es ist nicht nur Fett, auch andere, fettlösliche Nährstoffe, werden mit dem Prozess der Entrahmung entzogen. Während Halbfettstufe, also 1,5% – 1,8% Fett noch vertretbar ist, solltest Du auf entrahmte Lebensmittel, also Milchprodukte mit weniger als 1% Fett, wirklich verzichten. Wo der Unterschied liegt?

Rohmilch wird in der Verarbeitung zunächst immer in Magermilch und Rahm separiert. D.h. das Fett und damit auch andere, fettlösliche Nährstoffe, werden entnommen. Bei sog. Magermilchprodukten wird dann die Magermilch ohne den Rahm zur Weiterverarbeitung genutzt. Den Halb- und Vollfettstufen wird anteilig Rahm wieder zugesetzt – genau so viel, um den erforderlichen Fettgehalt zu erreichen. Aus dem Rest wird Butter, Sahne oder andere Produkte mit viel Fett hergestellt, die Du dann kaufen kannst. 

Im Klartext heißt das: Je mehr Fett, desto mehr fettlösliche Nährstoffe. Das gilt übrigens nicht für Kalzium, das ist in der Magermilch immer noch in ähnlicher Menge enthalten. Genauso wie Zucker in Form von Milchzucker (Laktose). Der verbleibt fast gänzlich in der Magermilch, Sahne hat nur wenig Laktose.

Fettarme Milch für Kinder – was sagen die Studien?

Wenn Du trotzdem immer noch nicht glauben kannst, dass Vollfett-Milchprodukte gesünder sind, schauen wir uns mal an, was die aktuelle Forschung zum Thema sagt. 

Es gibt die sogenannte Milky Way Study der australischen Edith Cowan University, die untersucht, ob Kinder durch Vollfett-Milchprodukte mehr zunehmen als Kinder, die fettarme Milchprodukte essen. Dreimal darfst Du raten: Tun sie nicht. Stattdessen essen Kinder, denen das Fett in der Milch fehlt, im Laufe des Tages mehr andere Lebensmittel, um die Kalorienlücke aufzufüllen. Da es sich bei Fett um ein sehr hochwertiges Lebensmittel mit wenig Nachteilen handelt (dazu unten mehr), halte ich es für fraglich, ob diese Ersatzkalorien entsprechend vorteilhaft in der Zusammensetzung sind. Das hat die Studie leider nicht untersucht.

Eine andere Datenauswertung aus den USA ergab, dass übergewichtige Kinder und Jugendliche mehr fettarme oder beinahe fettfreie Milch trinken als ihre Altersgenossen, die Vollmilch trinken.

Eine Überblicksstudie kanadischer Forscher zeigt: Kinder, die Vollmilch statt fettarmer Milch trinken, haben ein um 40% reduziertes Risiko für späteres Übergewicht. Natürlich bedeutet das nicht, dass Du Deinem Kind nur Vollmilch geben musst, damit es keinesfalls übergewichtig wird. Es gehören sehr viel mehr Faktoren dazu, z.B. Bewegung, Versorgung mit Nährstoffen. Und ein 1:1 Zusammenhang zwischen Milch und Übergewicht lässt sich natürlich nicht nachweisen, denn so isoliert betrachten kann man das leider nicht. Immerhin sind Kinder keine Laborratten. 

In Studien mit Erwachsenen wurden ebenfalls Hinweise darauf gefunden, dass Vollmilch das Risiko für Übergewicht senken könnte.

Leider wird von verschiedenen Fachpersonen und -portalen trotzdem weiterhin empfohlen, übergewichtigen Kindern fettarme Milchprodukte zu geben. Während es meinem Verständnis nach durchaus gesundheitsfördernd kann, die tierischen Produkte allgemein zu reduzieren, sollten die, die noch gegessen werden, keinesfalls fettreduziert sein. Weder Milch noch Fleisch. Eier gibt es ja zum Glück noch nicht ohne Fett.

Warum sind Fette für Kinder gesund?

Aber warum macht Fett nun eigentlich nicht dick, sondern ist sogar gesund und lebenswichtig? Fette liefern doppelt so viel Energie wie die anderen Makro-Nährstoffe Kohlenhydrate oder Proteine. Kinder brauchen Energie. Erwachsene auch. Deshalb, unter anderem, essen wir regelmäßig. Zudem gibt es Vitamine und andere Nährstoffe, die fettlöslich sind und darum nur in Verbindung mit Fetten oder Ölen aufgenommen werden können. Darunter Vitamin A, D, E, K, Carotinoide, Phytosterine, Polyphenole (Antioxidans).

Andere Fette brauchen wir dringend für die Entwicklung und Funktion unseres Gehirns, sowie die Regulierung von Entzündungsprozessen und das Immunsystem. Von Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren ist die Rede. Sie sind für den Körper essentiell, d.h. er kann sie nicht selbst herstellen und sie müssen über die Nahrung aufgenommen werden.

Aber auch nicht-essentielle Fettsäuren nutzen dem Körper, z.B. Omega-9-Fettsäuren, gesättigte Fette wie Stearinsäuren, Palmitinsäure, mittelkettige Fettsäuren (MCTs, z.B. in Kokosöl), Konjugierbare Linolsäure.

Aber macht Fett nicht übergewichtig?

In unseren Köpfen hält sich hartnäckig der Glaube, Fette seien ungesund oder würden sogar „fett“ machen. Das ist ein Irrglaube aus dem letzten Jahrtausend, bitte streich das aus Deinem Kopf! Statt „Fett macht fett“ solltest Du lieber folgende Assoziation speichern: „Fett sorgt dafür, dass es flutscht.“ Zumindest gilt das für die meisten Fette. 

Transfette

Tatsächlich gibt es ein paar wenige ungesunde Fette, die dick und krank machen – aber die kommen nicht in natürlichen Lebensmitteln vor! Die Rede ist von sogenannten Transfetten, die bei der Verarbeitung durch langes oder häufiges bzw. starkes Erhitzen entstehen. Du findest sie in Pommes und Chips, ganz vielen Fertigprodukten und Süßigkeiten. Oft gibt es keine direkten Hinweise darauf, dass solche Fettsäuren in einem Produkt enthalten sind. Mit Sicherheit ungesund ist ein Produkte aber, wenn es „(teilweise) gehärtete Fette“ enthält. Ein unverarbeitetes Lebensmittel enthält keine Transfette.

Gesättigte Fettsäuren

Was ist nun mit gesättigten Fettsäuren, wie sie überwiegend in tierischen Produkten wie Milch und Fleisch vorkommen? Da hieß es ja lange, die solle man ebenfalls meiden, weil sie den Cholesterinspiegel ansteigen lassen und verschiedene chronische Krankheiten begünstigen. Der aktuelle Stand der Forschung ist hier, dass das zwar bei übermäßigem Verzehr vermutlich richtig ist – trotzdem haben auch diese Fettsäuren wichtige Funktionen im Körper. Sie dienen als Botenstoffe und sind wichtig für Gehirn und Nervensystem. Solange sie nicht im Übermaß verzehrt werden, sind also auch gesättigte Fette in Ordnung. Glaubst Du nicht? Dann schau Dir gerne die Studien die letzten vier Studien in den Quellenangaben genauer an. 

Darin gibt es unter anderem Belege dafür, dass der Verzehr von gesättigten Fettsäuren nicht eindeutig mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist. Eine höhere Aufnahme von gesättigten Fettsäuren wurde sogar mit einem niedrigeren Risiko für Schlaganfälle in Verbindung gebraucht. Neuere Untersuchungen betonen, dass vor allem das Verhältnis zu anderen Fetten wichtig ist, weniger die absolute Menge gesättigter Fettsäuren.

Ungesättigte Fettsäuren

Einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie in pflanzlichen Produkten, Fisch- und Meeresfrüchten vorkommen, gelten nach wie vor als die gesündesten Fette. Zu den mehrfach gesättigten Fettsäuren zählen die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Davon sollte Dein Kind auf jeden Fall genug aufnehmen, sie stecken z.B. in Nüssen (Nussmus), Samen (z.B. Leinsamen, Chiasamen) Seefisch, bestimmten Algen, Oliven, Avocado, u.v.m.


Quellen: 

  • Analise Nicholl, Kane E Deering, Kate Evelegh, Philippa Lyons-Wall, David Lawrence, Trevor A Mori, Mario Kratz, Therese A O’Sullivan: Whole-fat dairy products do not adversely affect adiposity or cardiometabolic risk factors in children in the Milky Way Study: a double-blind randomized controlled pilot study, The American Journal of Clinical Nutrition (2021)
  • White MJ, Armstrong SC, Kay MC, Perrin EM, Skinner A. Associations between milk fat content and obesity, 1999 to 2016. Pediatr Obes. (2020)
  • Shelley M Vanderhout, Mary Aglipay, Nazi Torabi, Peter Jüni, Bruno R da Costa, Catherine S Birken, Deborah L O’Connor, Kevin E Thorpe, Jonathon L Maguire. Whole milk compared with reduced-fat milk and childhood overweight: a systematic review and meta-analysis. The American Journal of Clinical Nutrition, 2019; DOI: 10.1093/ajcn/nqz276
  • Chowdhury, R., Warnakula, S., Kunutsor, S., Crowe, F., Ward, H. A., Johnson, L., … & Franco, O. H. (2014). Association of Dietary, Circulating, and Supplement Fatty Acids With Coronary Risk: A Systematic Review and Meta-analysis. Annals of Internal Medicine, 160(6), 398–406. https://doi.org/10.7326/M13-1788
  • Dehghan, M., Mente, A., Zhang, X., Swaminathan, S., Li, W., Mohan, V., … & Yusuf, S. (2017). Associations of fats and carbohydrate intake with cardiovascular disease and mortality in 18 countries from five continents (PURE): a prospective cohort study. The Lancet, 390(10107), 2050–2062. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32252-3
  • Kratz, M., Baars, T., & Guyenet, S. (2013). The relationship between high-fat dairy consumption and obesity, cardiovascular, and metabolic disease. European Journal of Nutrition, 52(1), 1–24. https://doi.org/10.1007/s00394-012-0418-1
  • Astrup, A., Magkos, F., Bier, D. M., Brenna, J. T., de Oliveira Otto, M. C., Hill, J. O., … & Krauss, R. M. (2020). Saturated Fats and Health: A Reassessment and Proposal for Food-Based Recommendations: JACC State-of-the-Art Review. Journal of the American College of Cardiology, 76(7), 844–857. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2020.05.077

Schreibe einen Kommentar