Würgen oder Ersticken: Ein wichtiger Unterschied

Häufig bekomme ich Nachrichten von Eltern, die Angst haben, ihr Baby könnte sich bei BLW gefährlich verschlucken bzw. ersticken. Ich werde nicht müde zu sagen, dass das zwar bei Menschen jeden Alters theoretisch möglich ist, aber man nicht vorhersagen kann, ob ein Baby dafür besonders gefährdet ist. Denn es gibt keine Vorzeichen für einen Erstickungs-Notfall. Würgen, Husten und sogar Erbrechen bedeuten nicht, dass Dein Kind beinahe erstickt wäre oder Hilfe benötigt. Es bedeutet lediglich, dass der natürliche Würgereflex ausgelöst wird. Damit Du genau verstehst, wovon ich rede, will ich heute einmal ausführlich beschreiben, wie dieses Würgen erzeugt wird, wofür es gut ist und warum es Teil des natürlichen Lernprozesses ist. 

Was ist Würgen?

Würgen, englisch gagging ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers, ein Schutzreflex, ausgelöst durch bestimmte Reize im hinteren Teil des Rachenraums – um ein potenzielles Ersticken abzuwenden. Als automatisierter Prozess tritt dieser Reflex auf, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Dabei sorgt er für eine zielgerichtete Kontraktion der Speiseröhre, von der unteren hin zur oberen Region, wodurch die Nahrungsaufwärtsbewegung gefördert wird. Speisebrei oder -brocken werden hervorgewürgt. Das Ziel ist es, zu verhindern, dass der Schluckreflex uns zu groß geratene Nahrungsstücke schlucken lässt, die stecken bleiben könnten. Kurz gesagt schützt uns der Würgereflex vor dem Ersticken. 

Es gibt zahlreiche Videos, die Dir verdeutlichen, wie Würgen aussieht. Wenn Du unsicher bist, schau Dir einige davon an. 

Das bedeutet aber nicht, dass wir jedes Mal, wenn der Würgereflex ausgelöst wird, beinahe erstickt wären! Das ist ein großer und wichtiger Unterschied. Der Würgereflex ist ein Sicherheitsmechanismus, der es gar nicht erst darauf ankommen lässt. Er löst nicht nur im Ernstfall aus, sondern immer, wenn etwas weit nach hinten im Rachenraum gerät. Bei Essanfängern passiert das noch weitaus häufiger als später im Leben. Dass der Würgereflex nicht mehr ausgelöst wird ist ein Lernprozess, der in den ersten Monaten durchlaufen wird, in denen Babys feste Nahrung essen dürfen. 

Was ist Ersticken?

Ersticken bezieht sich auf einen Zustand, in dem der Fluss von Sauerstoff in die Lungen blockiert ist. Dies kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, darunter das Einatmen von Nahrung, Flüssigkeiten oder Fremdkörpern.

Beim Essen oder Trinken kann es passieren, dass Nahrung oder Flüssigkeit den falschen Weg nimmt und anstatt in die Speiseröhre in die Luftröhre gelangt. Das geschieht, wenn jemand während des Essens ruckartig einatmet, weil er z.B. erschreckt wird, lachen oder husten muss. Wenn diese Nahrungs- oder Flüssigkeitspartikel tief genug in die Luftröhre bzw. in die Lungen gelangen, können sie die Atmung behindern und zum Ersticken führen. Auch Fremdkörper in den Atemwegen, die nicht unmittelbar die Luftzufuhr blockieren, können Probleme machen, weil sie Entzündungen auslösen können. 

Zum Ersticken von Babys gibt es natürlich keine Videos, denn dabei sitzen Eltern nicht ruhig mit dem Smartphone oder der Kamera daneben. Schau Dir stattdessen an, was zu tun ist, wenn Dein Baby tatsächlich zu ersticken droht: 

Natürlich hat der Körper Mechanismen zur Verhinderung von Erstickungsunfällen, darunter der Hustenreflex, der dazu dient, blockierendes Material aus der Luftröhre zu entfernen, und der Würgereflex, der verhindert, dass zu große Nahrungsbrocken überhaupt erst in die Speiseröhre gelangen können.

Würgen ist nicht fast Ersticken

Du siehst also, es handelt sich um zwei unterschiedliche Phänomene. Wenn Dein Baby also Essen hochwürgt oder hustet, bedeutet das nicht, dass es andernfalls erstickt wäre. Es bedeutet lediglich, dass ein körpereigener Sicherheitsmechanismus ausgelöst wurde – und dass dieser gut funktioniert. Anstatt Dich in diesen Momenten zu sorgen, ob Dein Kind tatsächlich bereit ist, feste Nahrung zu essen, bewundere lieber das Wunderwerk des Körpers und sorge dafür, dass Dein Kind sichere Essbedingungen hat. 

Zu einer sicheren Essumgebung gehören folgende Punkte: 

  • aufrechtes Sitzen (kein Herumlaufen, Krabbeln etc.)
  • möglichst ruhige Umgebung
  • ein Standbrett unter den Füßen (ermöglicht das effektive Abhusten)
  • Lass Dein Baby erst essen, wenn alle Beikostreifezeichen erfüllt sind
  • keine gefährlichen Lebensmittel auf dem Teller
  • kein Füttern mit dem Löffel oder mit der Hand (dabei könnten Lebensmittel zu weit nach hinten geschoben werden – wenn Du mit dem Löffel füttern möchtest, lass Dein Baby selbst den Löffel zum Mund führen, während Du ihn festhältst)
  • keine unnötigen “Erste-Hilfe-Maßnahmen”
  • niemals mit den Fingern in den Mund fassen, um etwas herauszuholen

Was ist der Unterschied zwischen Würgen und Ersticken?

So viel also zur Theorie. Aber wie erkenne ich in der Praxis, also wenn ich meinem Baby gegenüber sitze, den Unterschied zwischen Würgen und Ersticken? Wollen wir uns das mal genauer ansehen. 

Richtig handeln bei Ersticken

Echtes Ersticken als medizinischer Notfall liegt dann vor, wenn die Atemwege blockiert sind und das Baby Schwierigkeiten beim Atmen hat oder überhaupt keine Luft mehr bekommt. Anzeichen dafür, dass ein Baby erstickt, können sein:

  • Baby bekommt keine Luft bzw. hat Schwierigkeiten beim Atmen – der Brustkorb hebt und senkt sich nicht, es sind keine Atemgeräusche zu hören
  • Es gibt kaum oder gar keine Laute mehr von sich, weint nicht bzw. nicht mit Ton
  • Wenn Töne kommen, sind sie sehr hoch und leise
  • Dein Kind starrt Dich mit entsetztem Blick an
  • Veränderungen der Hautfarbe ins blau-violette bis blass-grau

Wenn Du befürchtest, dass Dein Baby wirklich erstickt, wähle sofort die Notrufnummer (112 europaweit) und leiste gleichzeitig Erste Hilfe. Dafür solltest Du abwechselnd versuchen, die Nahrung durch Klopfen auf den Rücken zu entfernen oder durch den Heimlich-Handgriff (ab 12 Monaten) herauszukatapultieren. Wenn eine andere Person anwesend ist, sollte eine Person sofort Erste Hilfe bei Erstickungsgefahr leisten, während die andere Person um Hilfe ruft. Wenn Dein Kind nicht mehr atmet, führe eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durch. Um im Notfall handeln zu können, solltest Du unbedingt einen Erste-Hilfe-Kurs, am besten als Präsenzkurs (findet man häufig beim Roten Kreuz) oder zumindest als Online-Kurs

Richtig handeln wenn Baby würgt

Würgen dagegen ist ein Schutzreflex, der zu einer Kontraktion der Luftröhre und des Rachenraums führt. Der Nahrungsbrei wird automatisch wieder herausbefördert. In diesem Fall ist es wichtig, dass das Baby die Nahrung selbst herausbefördern darf. Lass ihm dafür unbedingt Zeit und Ruhe. Solange es atmen kann, solltest Du einfach nur dabei sein und nicht eingreifen. Stecke nicht Deinen Finger in den Mund des Babys, da dies den Gegenstand weiter in den Hals schieben und die Situation verschlimmern könnte. Verbreite auch keine Panik oder Unruhe, dreh Dein Baby nicht herum oder klopfe das Essen aus ihm heraus. All das könnte dazu führen, dass es sich vor Schreck tatsächlich verschluckt. Wenn Du Essen aus dem Mund entfernen möchtest, bitte Dein Kind ruhig, es auszuspucken, indem Du Deine Hand vor den Mund hältst und “Spuck es aus” sagst. Die meisten Babys lernen schnell, was damit gemeint ist. 

Babys, die Würgen

  • werden rot
  • bekommen tränende Augen
  • husten oder erbrechen sogar
  • sind meist ganz bei sich und nicht panisch
  • machen laute Geräusche

Wenn die Situation vorbei ist, lass Dein Baby weiter essen. Es muss sich nicht erholen, denn es war nicht in Gefahr. 

Warum würgen kleine Babys so häufig?

Ein beikostreifes Baby würgt häufig, wenn es anfängt, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Das ist teilweise schwierig, mit anzusehen und viele Eltern sind verunsichert. Eine gängige Interpretation ist dann, dass das Kind noch nicht bereit ist, feste Nahrung oder eigenständig zu essen, sondern lieber fein pürierten Brei gefüttert bekommen sollte. Das stimmt so nicht.

Würgen ist bei Säuglingen, Kindern und Erwachsenen wie oben beschrieben ein völlig normaler Reflex. Alle Babys müssen beim Essen würgen – das ist die Art und Weise, wie sie essen lernen. Bei manchen ist der Reflex stärker ausgeprägt, als bei anderen – aber alle haben ihn. Die gute Nachricht ist, dass Babys in der Regel nach ein paar Monaten des Übens mit unterschiedlich strukturierten Nahrungsmitteln aus dem Würgen herauswachsen.

Tatsächlich ist es so, dass Babys, die mit Beikostreife feste Nahrung essen, mehr würgen als solche mit 10 oder 12 Monaten. Das bedeutet aber nicht, dass sie beim Essen einer erhöhten Gefahr für Ersticken ausgesetzt sind. Warum wirst Du gleich nochmal sehen.

Würgereiz wird weniger empfindlich

Irgendwann im Alter von etwa 7 bis 12 Monaten lässt der Würgereflex langsam nach. Denn dann haben sie im Normalfall bereits gelernt, wie sie sicher essen oder andere Dinge mit dem Mund untersuchen können. Von der Geburt bis etwa zum 7.–9. Monat wird der Würgereflex etwa in der Mitte der Zunge ausgelöst. In diesem Alter ist der Würgereflex so empfindlich wie nie zuvor. Dies ist aus Sicherheitsgründen wichtig, da Gegenstände oder Nahrungsbrocken schnell den Würgereflex auslösen und aus dem Mund gedrückt werden, bevor sie über die Mitte der Zunge nach hinten gelangen können.

Danach wandert der Würgeauslöser langsam von der Zungenmitte über den Zungenrücken in Richtung Rachen. Irgendwann wird der Würgereflex also wirklich erst dann ausgelöst, wenn etwas in den Rachen Richtung Speise- bzw. Luftröhre rutscht. Bis zum 9. Monat kommt das Essen im besten Fall gar nicht so weit, weil der Reflex schon vorher eingesetzt hat. Ab diesem Zeitpunkt können Nahrungsmittel oder Gegenstände dann viel näher an den Rachen gelangen, bevor der Körper erkennt, dass etwas zu groß zum Schlucken ist, und versucht, es wieder herauszudrücken. Das klingt vielleicht beängstigend, aber natürlich bleibt der Würgereflex auch danach aktiv und stark. Wenn also etwas auf die Rückseite der Zunge, den hinteren Gaumen oder sogar auf die Rückseite des Rachens trifft, wird der Würgereflex weiterhin aktiviert und verhindert in den allermeisten Fällen ein gefährliches Verschlucken bzw. Ersticken. 

Trotzdem ist der Würgereflex eines 6 bis 10 Monate alten Babys viel empfindlicher und wird weiter vorne auf der Zunge ausgelöst, als bei einem älteren Baby bzw. Kleinkind. Aus diesem Grund sieht man Babys, die mit Baby Led Weaning essen lernen, so häufig würgen: Je weiter vorne der Würgeauslöser auf der Zunge liegt, desto leichter lässt er sich auslösen. Es ist also nicht ungewöhnlich, dass Babys in den ersten Wochen, in denen sie feste Nahrung zu sich nehmen, würgen, husten und sich gelegentlich übergeben. Wenn dieser Zeitpunkt allerdings erst mit 11 oder 12 Monaten gekommen ist, wie es beim Füttern mit Brei häufig geschieht, wird der Würgereflex nicht mehr so schnell ausgelöst. Das bedeutet nicht, dass das Essen fester Nahrung in diesem Alter sicherer ist als mit 6 Monaten. Im Gegenteil. 

Dadurch, dass der Würgereflex, der dafür sorgt, dass keine Nahrung oder Gegenstände zu weit nach hinten in die Speise- bzw. Luftröhre gelangen, bei kleinen Babys früher einsetzt, liegt es nahe, dass sie sogar sicherer essen als ältere Babys. Der Lernprozess, wie man Nahrungsbrei mit der Zunge im Mundraum sicher hin und her befördert, könnte also im Zeitraum ab 6 Monaten unter besseren Bedingungen ablaufen als später. 

Denn:

Würgen schützt vor Ersticken

Wenn der Würgereflex ausgelöst wird, verschließt sich der Rachenraum – dadurch wird das Schlucken quasi unterbunden. Der Nahrungsbrei wird durch den Reflex nach vorne in Richtung Vorderzähne bzw. Mundöffnung gedrückt. Der Mund öffnet sich leicht, wenn Babys würgen, in Erwartung, dass das Gegessene wieder aus dem Mund befördert wird. Angenehm ist der Vorgang vermutlich aber auch für Babys nicht gerade – wenn sie dazu fähig sind, werden sie also in Zukunft dafür sorgen, dass er nicht mehr stattfindet. Sie werden lernen, das leicht unangenehme Würgegefühl zu vermeiden, indem sie den Speisebrei nur weiter vorne im Mund hin und her bewegen.

Würgen ist also völlig normal und für die Sicherheit des Babys unglaublich wichtig, sowohl am Tisch als auch abseits davon. Dass der Vorgang ganz normal ist wirst Du bestätigen können, wenn Du ohne Intervention zusiehst, wie Dein Baby würgt, hustet oder Nahrungsbrei erbricht. Denn solange die Erwachsenen in der Umgebung nicht panisch werden, lassen sich die Kleinsten von diesen Ereignissen gar nicht groß beirren. Dass sie weinen ist sehr selten, viel häufiger würgen sie die Nahrung nach vorne und essen dann einfach weiter. Wenn etwas aus dem Mund gefallen ist, greifen sie wieder danach und stecken es zurück. 

Sicherlich hast Du den Würgereflex bei Deinem Kind auch schon einmal unabhängig vom Essen beobachtet, wenn es sich ein Spielzeug oder einen anderen Gegenstand zu weit nach hinten gesteckt hat. Dass dieser Mechanismus so schnell und häufig ausgelöst wird, hat gute Gründe, die das Überleben unserer Spezies sichern.

Unser Mund ist einer der empfindlichsten Teile unseres Körpers. Der menschliche Mund verfügt über viele sensorische Rezeptoren zur Wahrnehmung von Berührung, Geschmack, Temperatur, Druck und anderen Eingabearten. Babys werden mit dem Reflex geboren, ihre Welt mit dem Mund zu erkunden, einfach weil der Mund empfindlich ist. Die Erkundung mit dem Mund wäre eine sehr dumme Idee, wenn Babys nicht das Würgen als natürliches Sicherheitsnetz hätten.

Kleine Säuglinge verfügen noch nicht über eine ausgereifte Hand- und Fingerkoordination. Das bedeutet, dass sie etwas, das sie in den Mund stecken, nicht leicht mit der Hand entfernen können. Sie verfügen außerdem über eine unausgereifte orale motorische Koordination (Zunge und Mund). Es fällt ihnen schwer, mit der Zunge einen Gegenstand in ihrem Mund zu finden und auszuspucken. Auch aus diesem Grund ist der Würgereflex ein Sicherheitsreflex, da er es einem Baby ermöglicht, einen Gegenstand in den Mund zu nehmen und ihn dann wieder herauszudrücken, ohne dass er in die Nähe des Halses gelangt – wo es daran ersticken könnte. Wenn Babys Dinge in den Mund stecken, sagt ihnen der Würgereflex, wann etwas nicht dort sein sollte, und verhindert, dass es sich zu weit zurück in Richtung Rachen bewegt.

Würgen gehört zum Essen Lernen

Damit Babys die Fähigkeit entwickeln, alle Lebensmittel zu kauen und nicht nur mit leicht zu kauenden Lebensmittel zurecht zu kommen, müssen wir ihnen die Möglichkeit geben, Fehler zu machen – wie zum Beispiel, zu große Stücke abzubeißen. Wenn ein Baby zu viel Essen abbeißt und dieses dann im Mund nicht richtig herumschieben kann, setzt irgendwann der Würgereflex ein, weil das große Stück den hinteren Gaumen oder Zunge berührt. Das Stück wird nach vorne befördert. Diese Erfahrung zeigt dem Baby, dass das Essen zu groß zum Schlucken war. Das ist für das sichere Essenlernen ungemein wichtig bzw. unumgänglich. Mit der Zeit lernt der Säugling, kleinere Bissen zu nehmen und wird geschickter darin, die Nahrung hin und her zu bewegen, um richtig kauen zu können.

Babys würgen auch bei Brei

Der Schwellenwert dafür, was einen Würgereiz auslöst, und die Intensität des Würgereizes sind bei jedem Baby unterschiedlich, aber die meisten Säuglinge durchleben eine Phase, in der alles in ihrem Mund, das dicker ist als Muttermilch oder Milchnahrung, einen Würgereiz auslöst. Es kann darum vorkommen, dass Dein Baby sogar beim Füttern von sehr feinem Brei würgt – vor allem, wenn Du mit Füttern anfängst, bevor alle Beikostreifezeichen erfüllt sind. Mach Dir darüber keine Sorgen, das bedeutet nicht, dass Dein Kind eine Schluckstörung oder irgendwelche anderen Probleme hat. Es hat nur einen sehr sensiblen Würgereflex. Normalerweise hört dieses Phänomen nach kurzer Zeit von selbst auf.

Fingerfood und Würgen

BLW-Kinder würgen zunächst mehr, später weniger als Breikinder

Wenn ein Baby mit Brei gefüttert wird, erhält die Zunge weniger sensorische Reize. Die Zungenmotorik kann bzw. muss sich in dieser Zeit nicht so sehr entwickeln. Allerdings erleben diese Babys dann häufig Würgephasen, wenn sie an Fingerfood herangeführt werden – nur eben etwas später als breifrei essende Babys. Im Jahr 2016 ergab die neuseeländische „BLISS“-Studie, dass Babys, die feste Nahrung mit dem Löffel gefüttert bekommen, sich im Alter von 6 Monaten weniger häufig verschlucken, im Alter von 8 Monaten und später jedoch häufiger. Verschlucken bedeutet hier, dass das Baby Husten und würgen muss, um Nahrungsbrei wieder nach vorne zu befördern. Das bedeutet nicht, dass sie ersticken.

Wir erinnern uns: Etwa im achten Monat wird der Würgereflex eines Babys weniger empfindlich und wandert weiter in den hinteren Teil des Mundes. Dies bedeutet, dass sich die Nahrung näher am Rachen befindet, bevor der Körper reagiert und versucht, sie herauszudrücken. Mit anderen Worten: Wenn man mit der Einführung von Fingerfood wartet, bis das Baby 8 oder 9 Monate alt ist, kann sich das Erstickungsrisiko möglicherweise erhöhen, da der Würgereflex weiter hinten im Mund weniger empfindlich ist und das Baby nicht an andere Konsistenzen als weiche Lebensmittel gewöhnt ist.

Brei kann Lernprozess verhindern

Babys nutzen also natürliche Reflexe und Mechanismen, um ab Beikostreife sicher essen zu lernen. Es gibt zwei weitere Schlüsselreflexe – den Beißreflex und den „transversalen Zungenreflex“ –, die ihnen helfen, das Kauen und Schlucken schon im Alter von 6 Monaten zu erlernen. Denn das Essen von Mahlzeiten läuft in folgenden Teilschritten ab:

Einen Bissen nehmen (Beißreflex) – Essen mit der Zunge seitlich verschieben (Lateralisierung) – Kauen bzw. Zerdrücken – Nahrung nach hinten schieben – Schlucken (Schluckreflex)

Wenn Babys zum ersten Mal mit Fingerfood beginnen, fällt es ihnen noch schwer, ihre Beiß- und Lateralisierungsreflexe koordiniert einzusetzen. IN dieser Zeit sorgt der Würgereflex dafür, dass nichts passiert. Jedes Mal, wenn das Baby selber essen darf, lernt es, wo sich das Essen in seinem Mund befindet und dass es zu weit nach hinten geraten ist. Langsam und schrittweise lernen Babys, Nahrung in verschiedene Teile ihres Mundes zu transportieren und welche Teile sicher sind. Sie lernen, dass ihre Zunge dabei helfen kann, Nahrung in viele Richtungen durch den Mund zu schieben. Sie lernen, dass ihr Gaumen, ihre Zunge, ihr Zahnfleisch und ihr Speichel die Nahrung zerkleinern, während sie sich durch ihren Mund bewegt. All diese Aktionen verwandeln ein festes Lebensmittel in etwas wie einen Brei, den man dann schlucken kann. Das Schlucken selbst muss man Babys dabei nicht beibringen, es handelt es sich um einen Hirnstammreflex, der bereits ab der 15. Schwangerschaftswoche mit dem Schlucken von Fruchtwasser geübt wird und bei der Geburt gut ausgeprägt ist. Babys können bereits schlucken. Es besteht keine Notwendigkeit zu üben!

Brei dagegen bringt Babys ein ganz anderes motorisches Essmuster bei:

Nahrung im Mundraum aufnehmen – nach hinten schieben – schlucken. 

Dies kann ein gefährliches Muster sein, da die meisten festen Lebensmittel erst gekaut werden müssen, bevor man sie sicher schlucken kann. Zumindest muss man jedes Mal im Mundraum prüfen, ob das Lebensmittel schon geschluckt werden kann. Schlucken ohne diese Überprüfung ist im natürlichen Ablauf nicht vorgesehen.

Das würde nun aber bedeuten, dass das ausschließliche Füttern von Brei wertvolle Lernzeit verschwendet, weil Babys das Herumschieben und Kauen nicht üben. Stattdessen wird ein motorisches Muster geübt, das danach wieder verlernt werden muss.

Baby würgt und erbricht

Es ist schwer, ruhig zu bleiben, wenn Dein Baby nicht nur würgt, sondern auch erbricht. Das Gesicht wird rot, es hustet und die Augen tränen. Aber dieses Verhalten ist bei manchen Babys, die gerade erst mit der Beikost beginnen, ziemlich normal und hat keinerlei Relevanz dafür, ob Dein Kind zu ersticken droht. Manche Babys haben einen stärkeren oder empfindlicheren Würgereflex als andere und die Nahrung kommt wieder hervor, wenn sie würgen. Dies kommt noch häufiger bei Babys mit starkem Reflux vor. Um diese Reaktion zu minimieren, berücksichtige diese drei Dinge:

  1. Stelle sicher, dass Dein Baby zwischen Milchnahrung und Tischnahrung mindestens eine Stunde Zeit hat, damit der Magen etwas verdauen kann. Ein sehr voller Bauch kann dazu führen, dass sich ein Würgen viel leichter zum Erbrechen führt.
  2. Vermeide für eine Weile die Lebensmittel, die die größten Würgereize auslösen. Oftmals handelt es sich bei Nahrungsmitteln, die starkes Würgen hervorrufen, um weiche, matschige, halbfeste Nahrungsmittel wie Bananen und Avocados oder um Obst und Gemüse mit Schale. Diese Nahrungsmittel können leicht am Gaumen oder an der Zunge festkleben und starkes Würgen hervorrufen, das zum Erbrechen führt.
  3. Biete jede Menge Gelegenheiten zum Üben mit Lebensmitteln (z. B. Mangokern oder Spareribs). Diese Lebensmittel sind nicht zum Essen gedacht, sondern sollen dem Gehirn helfen, das Innere des Mundes kennenzulernen und zu desensibilisieren.

Wenn Dein Baby weiterhin bei den meisten Mahlzeiten heftig würgt und sich erbricht, solltest Du dies dem Kinderarzt mitteilen.

Wann Du den Kinderarzt hinzuziehen solltest

Wenn Dein Kind langanhaltende Probleme mit dem Essen fester Nahrung hat, solltest Du mit dem Kinderarzt über eine Überweisung an einen Ernährungstherapeuten sprechen. Zu langanhaltenden Problemen gehören:

  • Nach einer anfänglichen Lernphase (ein bis zwei Monate Fingerfood) würgt Dein Kind weiterhin häufig.
  • Dein Baby ist nach dem Würgen häufig unruhig (Weinen, Wutanfälle, Erbrechen) und sichtlich gestresst davon.
  • Dein Kind erbricht bei den Mahlzeiten, auch auf nüchternen Magen.
  • Dein Kind weigert sich, Nahrung anzunehmen, nimmt nicht richtig zu oder entwickelt sich nicht gut. 

Fazit: Würgen ist völlig normal

  • Wenn ein Baby würgt, stresst das also vor allem die Eltern, ist aber für das Baby völlig normal und Teil eines wichtigen Lernprozesses. 
  • Alle Babys müssen beim Essen würgen – das ist eine Art und Weise, wie sie essen lernen.
  • Babys wachsen in der Regel nach ein paar Monaten des Übens mit verschiedenen strukturierten Fingerfoods aus dem Würgen heraus.
  • Babys würgen häufig, wenn sie zum ersten Mal feste Nahrung zu sich nehmen, unabhängig davon, ob sie mit Brei oder Fingerfood beginnen.
  • Babys, die ausschließlich mit Brei gefüttert werden, würgen durchschnittlich am Anfang weniger, später aber häufiger, wenn sie mit 9-12 Monaten mit Fingerfood beginnen.
  • Babys, die mit Fingerfood essen lernen, neigen anfangs stärker zum Würgen und später weniger, da sich ihre Mundmotorik schneller entwickelt.

wuergen vs ersticken

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