Dieser Text wurde inhaltlich geprüft und überarbeitet von Kinderarzt und Allergologe Ernst Mönter.
Wenn Dein Baby langfristige Probleme mit der Verdauung hat, bist Du wahrscheinlich verzweifelt auf der Suche nach der Ursache. Könnte es sich um eine Milcheiweißallergie handeln? Oder hast Du bereits eine Diagnose vom Arzt und möchtest noch einmal detailliert verstehen, was vor sich geht, wie es weitergeht und was Dein Kind nun eigentlich noch essen darf? Was Du als Elternteil im Zusammenhang mit einer Kuhmilchallergie beim Baby wissen solltest, erkläre ich Dir jetzt.
Was ist eine Kuhmilchallergie?
Kuhmilchallergie, Milchallergie, Milcheiweißallergie, Kuhmilcheiweißallergie, CMPA (cow’s milk Protein allergy) – all diese Begriffe meinen dieselbe Tatsache: Dein Baby reagiert allergisch auf Kuhmilch und Milchprodukte und sollte deshalb auch kleinste Mengen davon kategorisch meiden.
Konkret erkennt das Immunsystem eines oder mehrere der über 25 Proteine aus der Kuhmilch als Fremdstoffe, die eine Gefahr darstellen könnten – und beginnt diese anzugreifen. Es werden Antikörper gebildet, die das Kuhmilch-Eiweiß wie einen Virus oder Bakterien unschädlich machen sollen. Histamin wird ausgeschüttet und es kommt zu einer Art Überreaktion des Körpers: einer allergischen Reaktion. Das Histamin kann in fast allen Gewebsschichten und Organen an entsprechenden Rezeptoren andocken und ruft entsprechende Reaktionen hervor.
Laktoseintoleranz ist keine Allergie
Bei Säuglingen kommt eine Milcheiweißallergie tatsächlich relativ häufig vor, nämlich bei 2 – 3 % aller Babys – im Gegensatz zu einer Laktoseintoleranz, die bei kleinen Kindern sehr selten ist und mit einer Allergie gar nichts zu tun hat. Bei einer Laktoseintoleranz kommt es aber zu teilweise ähnlichen Symptomen, nämlich Beschwerden im Verdauungstrakt. Der Körper kann den Milchzucker (Laktose) nicht richtig aufspalten und er verbleibt im Verdauungssystem. Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall können die Folge sein.
Symptome einer Kuhmilchallergie beim Baby
Bei einer Milchallergie können verschiedenste Symptome auftreten Einige davon zeigen sich unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme, andere erst bis zu zwei Tage verzögert. Nicht jedes Baby zeigt dieselben Symptome bei einer Milchallergie und es müssen nicht alle Symptome vorliegen, damit es sich um eine Allergie handelt. Damit Du aber eine Orientierung hast, worauf Du achten kannst, hier eine Liste der möglichen Anzeichen:
Magen-Darm-Trakt
- Bauchschmerzen
- bei kleinen Babys fehlende Gewichtszunahme
- Blähungen
- Blut im Stuhl
- Durchfall
- Erbrechen
- Reflux
- Verstopfung
- veränderter Stuhlgang
Hautbild
- Hautausschlag, Bläschen oder Nesselsucht
- Hautrötungen
- echter Milchschorf
- geschwollene Lippen
- Schwellungen anderer Stellen
- Verschlechterung einer Neurodermitis
Atemwege
- gerötete Augen
- Bronchitis
- chronischer Husten
- laufende Nase, Schnupfen
- geschwollene Schleimhäute
Im Extremfall kann es sogar, unmittelbar nach dem Kontakt, zu einem anaphylaktischen Schock kommen. Dieser äußert sich durch Atemnot, Blutdruckabfall bis hin zur Bewusstlosigkeit. Der Zustand kann lebensbedrohlich sein und Du solltest sofort den Notruf wählen.
Die Farbe und Konsistenz des Stuhlgangs bei Babys mit Milchallergie kann ebenfalls Auffälligkeiten aufweisen. Durch Blutbeimengungen kann die Farbe des Stuhls von rot bis schwarz reichen. Mit verabreichen von Spezialnahrung ändert sie sich oft zu grün oder dunkelgrün. Die Konsistenz kann schleimig bis flüssig sein, sollte sich aber mit Meiden von Milchprodukten wieder normalisieren.
Eine unmittelbare Verbesserung der Symptome ist teils schon nach wenigen Stunden zu beobachten. Spätestens zwei Wochen nachdem Du jegliche Kuhmilch aus der Ernährung gestrichen hast, sollten alle Symptome verschwunden sein.
Wann fängt die Milchallergie an?
Die sogenannte Sensibilisierung, also die Phase, in der die Allergie beginnt, findet bei den meisten Säuglingen in den ersten Lebenswochen bis -monaten statt. Das Füttern mit Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis scheint häufig dazu beizutragen. Aber es kann sogar vorkommen, dass Stillkinder eine Milchallergie entwickeln, weil sie auf Kuhmilchproteine in der Muttermilch reagieren. Die gelangen in die Muttermilch, wenn Mütter Kuhmilchhaltige Nahrung zu sich genommen haben.
Wann hört die Milcheiweißallergie beim Baby auf?
Die gute Nachricht ist, dass die meisten Kinder, nämlich geschätzt 80-90%, die Kuhmilchallergie spätestens zum Schuleintritt hinter sich gelassen haben. Bei vielen hört sie sogar schon zum 2. oder 3. Geburtstag auf. Bis dahin sollte Dein Kind aber tatsächlich keinerlei Kuhmilch und andere Milchprodukte zu sich nehmen.
Bei manchen Kindern ist zunächst nach der Provokation auch eine nur teilweise Wiedereinführung z.B. von gekochter Milch möglich. Teilweise kommen nach ärztlicher Anleitung auch orale Toleranzstimulationen zum Einsatz, bei denen nach bestimmten Schemata langsam steigende Milchmengen gegeben werden.
Was darf mein Baby essen bei einer Kuhmilcheiweißallergie?
Das komplette Meiden von Milchprodukten im Alltag ist leichter gesagt, als getan. Denn in unserer westlichen Ernährungsweise kommt Kuhmilch in so vielen Gerichten und Produkten vor. Zunächst einmal enthalten Produkte, die als vegan gekennzeichnet sind, keine Kuhmilch. Denn sie dürfen keine tierischen Produkte enthalten. Allerdings musst Du Dein Baby jetzt nicht vegan ernähren (und solltest das auch nicht ohne entsprechende Planung und Beratung), denn Fisch, Fleisch und Eier dürft ihr auf jeden Fall essen, genauso wie alle Arten von Obst und Gemüse sowie Getreideprodukte, Pseudogetreide und Hülsenfürchte.
Damit Du verstehst, wo überall Kuhmilch enthalten ist, hier eine Liste an Nahrungsmitteln, die man bei Kuhmilchallergie meiden sollte:
- alle Käsesorten, z.B. Hartkäse, Frischkäse, Weichkäse, Feta, Mozarella, Camembert
- Butter
- Buttermilch
- Butterschmalz
- Crème Fraîche
- Dickmilch
- fettfreie Milchtrockenmasse
- Folgemilch auf Kuhmilchbasis
- Joghurt
- Kefir
- Kindermilch
- Kondensmilch
- Kuhmilch
- Laktosefreie Milch
- Magermilchpulver
- Milchcreme
- Milchpulver
- Milchschokolade
- Molke
- Molkeeiweiß
- Molkeprotein
- Molkepulver
- PRE-Milch und Folgemilch auf Kuhmilchbasis
- Quark, Speisequark, Topfen
- Sahne (Rahm / Schlagobers)
- Saure Sahne, Sauerrahm
- Schafmilch
- Schmand
- Stutenmilch
- Trinkschokolade / Kakao
- Trockenmilch
- Vollmilchpulver
- Ziegenmilch
Tatsächlich ist auch laktosefreie Milch tabu. Denn hier wurde nur der Milchzucker entfernt, nicht aber die Kuhmilchproteine. Tierische Milch von Ziegen, Schafen oder Pferden wird nur von sehr wenig betroffenen Kindern vertragen. Das liegt daran, dass die enthaltenen Allergene sehr ähnlich sind.
Es gibt auch einige Medikamente, die Kuhmilch enthalten (reine Laktose ist kein Problem). Am besten, Du fragst in der Apotheke nach, bevor Du Deinem Kind ein neues Medikament gibst.
Wenn Du Fertigprodukte im Supermarkt kaufst, also Saucen und Dips, Tiefkühlessen, Fertiggerichte und Co., kann darin Milch enthalten sein. Zum Glück muss Kuhmilch als Zutat immer hinten drauf stehen, es lohnt sich also, einen Blick auf die Zutatenliste zu werfen. Allerdings steht da nicht immer „Milch“ oder „Kuhmilch“, sondern häufig eine der folgenden Bezeichnungen:
- Calciumkasein
- Casein (Kasein)
- Caseinate (Kaseinate)
- Hydrolysierte Molke
- Hydrolysiertes Kasein
- Kaseinhydrolysat
- Kaseinkonzentrat
- Lactalbumin
- Lactoglobulin
- Malzmilch
- Milchalbumin
- Milchalbuminphosphat
- Milcheiweiß (-protein)
- Milchpulver
- Molke
- Molkeeiweiß
- Molkepulver
- Proteinhydrolysatt
Du siehst also, es ist zwar etwas komplizierter, aber nicht unmöglich, die Kuhmilch aus der Ernährung zu streichen. Natürlich solltest Du nicht einfach nur die Milchprodukte ersatzlos streichen, denn Kuhmilch enthält zahlreiche Nährstoffe. Stattdessen solltest Du sie durch andere nährstoffdichte und calciumreiche Lebensmittel ersetzen. Wenn Dich das überfordert, kannst Du über eine Ernährungsberatung oder Beikostberatung nachdenken.
Baby stillen trotz Kuhmilchallergie
Sollte Dein Baby während der ersten Lebensmonate eine Milcheiweißallergie entwickeln, obwohl es noch gestillt wird, solltest es auf jeden Fall trotzdem weiter gestillt werden. Denn die Muttermilch stärkt auf verschiedene Weise die Darmflora, die an der Funktion eines gesunden Immunsystems maßgeblich beteiligt ist. Anders gesagt erhöhst das Stillen die Chance, dass sich die Allergie „verwächst“. Allerdings müssen stillende Mütter während der gesamten Stillzeit selbst auf alle Kuhmilchhaltigen Nahrungsmittel und Produkte verzichten. Und zwar nicht nur vor dem Stillen, sondern durchgängig.
Wenn Dein Baby parallel zur Muttermilch auch Säuglingsnahrung aus der Flasche erhält, musst Du dieses unbedingt auf Spezialnahrung umstellen.
Säuglingsnahrung bei Milchallergie
Die herkömmliche PRE- oder Folgemilch wird nämlich aus Kosten- und Ressourcengründen auf Kuhmilchbasis hergestellt und dann entsprechend mit Nährstoffen, die Dein Kind benötigt, aufgewertet. Selbst sogenannte HA-Nahrung enthält Kuhmilch, bei der die Proteine aufgespalten (hydrolysiert) wurden. Leider reicht das in vielen Fällen nicht aus, um eine allergische Reaktion zu vermeiden. Darum solltest Du auf Spezialnahrung zurückgreifen, die für Babys mit Kuhmilchallergie hergestellt wurde, z.B. von Neocate, Althera, Pregomin oder Alfaré. Hier wurden die Proteine ausreichend aufgespalten, um eine Reaktion auszuschließen.
Bei gesicherter Diagnose können die Kosten dafür von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, wenn die Nahrung vom Arzt auf einem Rezept verordnet wurde. Sie muss dann aus der Apotheke bezogen werden. Frag am besten direkt bei Deiner Krankenkasse nach, wie das genaue Vorgehen ist.
Diagnose der Kuhmilchallergie beim Baby
Natürlich ist es bei Babys und Kleinkindern immer ein wenig kniffelig, Diagnosen zu stellen. Denn sie können kein verbales Feedback geben, wie sich z.B. der Bauch nach einem Glas Milch fühlt. Eine sichere Diagnose ist nicht durch einen einfachen Test möglich, auch wenn man durch einen Haut- oder Bluttest feststellen kann, ob sich Antikörper gegen Kuhmilcheiweiße gebildet haben. Auch eine sogenannte orale Provokation, bei der dem Kind unter ärztlicher Aufsicht Kuhmilch verabreicht und dann die Reaktion beobachtet wird, findet manchmal statt, ist aber in vielen Fällen nicht zu empfehlen. Meistens basiert die Diagnose aber auf einer Anamnese und Beobachtungen der Eltern im Alltag vor und mit einer Eliminationsdiät, bei der alle Milchprodukte aus der Ernährung gestrichten werden. In manchen Fällen ist die Diagnose einer Milchallergie recht schnell eindeutig, wenn die Vorgeschichte 100% passt.
Die Diagnose sollte immer ärztlich abgeklärt und begleitet werden, da sie mit vielen Einschränkungen, besonders bei älteren Kindern ab Krippenalter, verbunden ist.
Eine Therapie im Sinne einer Medikation oder Heilung gibt es nicht. Ab sofort sollte Dein Baby für mindestens 6 Monate absolut keine Milchprodukte mehr erhalten. Erst danach kann man unter ärztlicher Anleitung testen, ob sich etwas am Zustand verändert hat. Wenn die Kuhmilchallergie verschwunden ist, kannst Du ganz vorsichtig und Schritt für Schritt Milchprodukte in die Ernährung aufnehmen.